Ein Mann saugt sich nach oben
Bonlanden – “Er ist ein toller Typ. Und sieht auch noch klasse aus”, sagt eine seiner Mitarbeiterinnen. “Er ist wirklich einmalig”, sagt eine andere und führt nach nebenan. “Kommen Sie, ich zeig Ihnen den Bären. Den müssen Sie einfach sehen.”
Das Büro von Michael Hausenblas ist stylisch-schmucklos: schwarzer Teppichboden, schwarzer Schreibtisch, weißes Sofa. Nur die Trophäenwand passt nicht ganz ins Ambiente. In barocker Fülle reihen sich Pokale, Medaillen und Ehrentafeln aneinander. Die Krönung des Prunks: ein goldener Grizzlybär. “Den haben nur sieben Menschen bekommen”, erklärt die Mitarbeiterin. Michael Hausenblas gehört dazu. Er schaffte es, innerhalb von sechs Monaten seinen Topumsatz noch zu verdoppeln.
Die Zahl der verkauften Staubsauger macht ihn zum Besten
Die Indiobüste bekam er für seine Leistungen in Mexico. Die Urkunde mit dem Foto des US-Firmenpräsidenten für eine andere “spectacular performance”, wie darauf zu lesen ist. Solche Mitarbeiter mag der Boss. Eine ganze Sammlung von Goldsternen liegt in der Vitrine. Jeder einzelne steht für mindestens 25 verkaufte Geräte oder drei neu rekrutierte Mitarbeiter in einem Monat. Mit der Weltkugel aus Silber wird die beste Verkaufsgruppe weltweit ausgezeichnet. Hausenblas hat zwei davon im Regal. Und einen wuchtigen Goldring. Dessen ist nur der Jahresbeste würdig. Wer der Beste ist, dafür gibt es in dem Geschäft einen untrüglichen Gradmesser: die Zahl der verkauften Staubsauger.
Seit einem Jahr ist Michael Hausenblas, 41, Chef von Hyla Germany mit Sitz in Bonlanden und 520 Mitarbeitern. Sieben sind fest angestellt, 513 freiberuflich unterwegs. Hausenblas will jetzt eine Art Betriebsrat einführen, wie er sagt. Eine Tafelrunde mit den zwölf besten Umsatzrittern und ihm als Hyla-Artus an der Spitze. Er geht immer noch raus, in die Wohnungen. Im Februar hat er zehn Staubsauger verkauft. “Basisarbeit, damit ich in Übung bleibe”, sagt er.
An diesem Spätnachmittag macht Hausenblas Basisarbeit in Göppingen. Er parkt seinen Zweitwagen, einen strahlend weißen BMW X6, vor einem Mehrfamilienhaus. Nach sieben Stunden Arbeit wirkt er immer noch wie frisch geduscht. Er trägt seine blonden Haare flott gescheitelt, einen dunklen Anzug und ein nettes Lächeln: “Hallo Frau Senger, da bin ich. Schön, dass ich vorbeikommen darf. Soll ich die Schuhe ausziehen?”
Schon als Kind verkaufte Hausenblas Sachen
Eigentlich ist Hausenblas ein Lesemuffel. Aber manche Bücher verschlinge er förmlich, sagt er. Im seinem Büroregal stehen ein paar solcher Druckwerke. Sie haben Titel wie “Du schaffst, was du willst”, “Wie man Freunde gewinnt”, “Reichtum kann man lernen”, “Der Erfolg ist in dir” oder “Sprenge deine Grenzen” von dem Motivationstrainer Jürgen Höller, der sehr erfolgreich war, bevor er ins Gefängnis musste.
Schon als Sechsjähriger war Hausenblas ein aufgeweckter Junge. In einer verlassenen Schmiede in Brugg im Allgäu, wo erherkommt, entdeckte er einige alte Fahrräder. Er schraubte die Klingeln ab und verkaufte sie an Klassenkameraden. Ein verstaubtes Ochsengeschirr veräußerte er an einen Antiquitätenhändler. Bilanz: 30 Mark Gewinn. Nach Intervention seines Vaters musste er die Geschäfte allerdings rückabwickeln.
Frau Sengers kleine Wohnung ist sehr gepflegt, alles an seinem Platz. Sogar die Teppichfransen sind gekämmt. Ein gutes Vorzeichen. Sie sitzt mit ihrem Mann und der Schwiegermutter um den Wohnzimmertisch. Als Begrüßungsgeschenk packt Hausenblas ein paar Proben der Hyla-Kosmetiklinie aus. Dann den Sauger: “1850 Euro. Ein stolzer Preis, aber entspannen Sie sich. Lassen Sie sich das Gerät zeigen. Wenn es Ihnen nach 15 Minuten nicht gefällt, gehe ich wieder.”
Nach einer Kaufmannslehre, die ihm nicht behagte, fing Hausenblas mit 19 in einer Leutkircher Lederfabrik an. An seiner Stanzmaschine stehend sah er draußen die Vertreter ankommen. “Mit Anzügen und 5er oder 7er BMWs. Das wollte ich auch.” Er ging zum Chef, der gab ihm eine Chance: Bielefeld, ein noch unerschlossenes Gebiet. Sonntagmorgens fuhr Hausenblas los, den Kofferraum voll Allgäuer Lederwaren. Freitagabends kam er mit einem neuen Umsatzrekord zurück. Von da an war er Handelsreisender – oder “Vrträtter”, wie man in seiner Heimat etwas geringschätzig sagt. Mit 3er-BMW und Autotelefon.
Staubsauger verkaufen: “Das mache ich jetzt auch”
Bald bekam er das lukrative süddeutsche Revier, wo er öfters an einem Singener Nobelautohaus vorbeikam – “kein Wagen unter 100.000 Mark”. Irgendwann hielt er an, ging zum Geschäftsführer und sagte, er wolle Ferrari-Verkäufer werden. Er bekam die Chance. “Fixum oder Provision?”, fragte der Chef. Selbstverständlich Provision. “Es verging kein Monat, an dem ich nicht mindestens zwanzig Autos verkaufte”, sagt Michael Hausenblas. Er machte auch sonntags auf. Ihm waren die gut betuchten Paare auf Spazierfahrt aufgefallen.
Warum deren Wochenendlaune nicht in mobile Träume verwandeln? Und ihm war noch etwas aufgefallen: einige der Leute, die sich einen Ferrari Mondial oder Lamborghini Diablo leisten konnten, waren im Direktvertrieb tätig. “Ich verdiente 240.000 Mark im Jahr, aber mehr ging eigentlich gar nicht, mehr Autos konnte ich rein logistisch nicht verkaufen”, sagt er. Wie in einer Sackgasse habe er sich gefühlt. Nach einem langen Gespräch mit einem Ferrari-Käufer, der sein Vermögen Staubsaugern verdankte, war für Hausenblas klar: “Das mach ich jetzt auch.”
“Warum gibt es bei Regen keinen Smogalarm in Stuttgart? Weil Wasser den Staub bindet. So machen wir’s auch. Wir brauchen keine Filter, wir leiten den Schmutz ins Wasser.” Hausenblas saugt und kann nach kurzer Zeit schon eine stattliche Dreckbrühe vorzeigen. “Wie gefällt es Ihnen bis jetzt vom Prinzip?” – “Gut.” Hausenblas öffnet sein Duftkästchen. “Und nun können Sie einen Tropfen Orangenöl, Eukalyptus oder Zitrone ins Wasser geben.” Hausenblas saugt, und bald riecht es wie in einem Wellnesszentrum. “Wie ist das?” – “Angenehm.” “Eine ganz andere Luft, gell? Wenn ich Ihnen dieses Gerät jetzt gleich dalassen würde, für welchen Duft würden Sie sich entscheiden?”
Nun ist er sein eigener Herr
Bei Hyla schlug er mit 30 Verkäufen im ersten Monat gleich richtig ein. Er eroberte die Staubsaugerwelt, fand sogar in Costa Rica, Ecuador, Litauen und Lettland reichlich Käufer. Dann wechselte er zu einer amerikanischen Staubsaugerfirma, bei der er sich die Pokale und den Gold-Grizzly erarbeitete. “Aber ich war auch da irgendwann wieder an einem Endpunkt”, sagt er.
Nun ist er zurück bei Hyla, ausgestattet mit den Exklusivrechten für Deutschland und sein eigener Herr. “Ich bin am Ziel”, sagt er. Vielleicht nicht ganz. Er will die Russen von Platz zwei in der Hyla-Verkaufsweltrangliste drängen. Dann wären nur noch die Amerikaner vor ihm. Hausenblas hasst zweite Plätze.
“Wie riecht’s, wenn Sie Fenster putzen?” – “Frisch.” “Wie riecht’s, wenn Sie Wäsche waschen?” – “Frisch.” “Und wie riecht’s nach dem Saugen?” – “Eher schlecht.” “Aha!” Hausenblas zeigt das Foto einer Milbe in Superzoom: “Milbenkot, Chipsreste, tote Fliegen: alles landet bei herkömmlichen Saugern in den Beuteln. Das sind Bakterienherde!” Licht aus. Spot auf den alten Sauger von Frau Senger. “Jetzt knie ich sogar schon vor Ihnen: Sehen Sie, während er vorne saugt, bläst er hinten feinen Staub raus.” – “Oh je.” “Riechen Sie das?” – “Ja. Ganz muffig”.
Jeden Montag ist “Open House” in Bonlanden. Zuschauer sind dann Hyla-Verkäufer und deren Bekannte, die es vielleicht werden wollen: Männer in Sakkos, Frauen, die sich wie für den Besuch in einem guten Restaurant zurechtgemacht haben. Hausenblas stellt ihnen an solchen Abenden den “Karriereplan” vor oder fragt wie ein Lehrer in die Runde: “Harald?” – “15 Vorführungen, 13 verkauft.” “Alexandra?” – “25 Verkäufe.” “Achim?” – “Fünf Vorführungen, vier verkauft.” “Mergim?” – “Fünf Vorführungen, vier Verkäufe.”
Sein starker Wille half ihm, sein Ziel zu erreichen
Der 19-jährige Mergim überholte Hausenblas neulich abends etwas frech im Wohngebiet. Der Hyla-Chef stellte den jungen Mann beim nächsten Halt zur Rede. Man kam ins Gespräch. Jetzt verkauft Mergim Sauger. Die ersten Kunden waren seine Mutter, seine Schwester und sein Schwager. Sie machten Vorschläge für neue Kunden. Wenn aus den Vorschlägen Vorführungen werden, gibt es ein Zubehör gratis. Hyla-Vertreter kommen nur auf Einladung ins Haus. Für Kundennachschub sorgen die Kunden.
“Probieren Sie’s mal selbst, Frau Senger. Und geht’s schwer?” – Nein.” – “Toll, nicht wahr? Ich freu mich nach dreizehn Jahren immer noch über dieses Produkt”, sagt Hausenblas und steckt mit einer Gewandtheit aus Tausenden Vorführungen eine antistatische Naturhaardüse auf das Gerät. “Wenn Sie morgen Ihren alten Sauger neben unserem im Schrank stehen haben, welchen würden Sie nehmen?” – “Ihren.” “So, und jetzt zeige ich Ihnen, wie Sie ihn noch günstiger bekommen können, für 1595 Euro. Überlegen Sie sich’s. Ich komme in fünf Minuten wieder rein.” Die fünf Minuten kann sich Hausenblas sparen. Nach gut einer Stunde temporeichem Saugspektakel ist Frau Senger “fasziniert”. Sie will das Gerät gleich dabehalten.
Eine Mischung aus jungenhaftem Charme und Entschlossenheit
Was ist das Unwiderstehliche an Michael Hausenblas? Vielleicht die Mischung aus jungenhaftem Charme und Entschlossenheit. “Ich weiß, was ich will, das spüren die Kunden”, sagt er. Lampen, Vorhänge, Dächer: er könne alles an den Mann bringen, wenn er es will. Und wenn er etwas will, gebe er erst Ruhe, wenn er es erreicht habe. “Ich bin im Sternzeichen Stier geboren”, sagt er. “Und ein echtes Sonntagskind.”
Zeiten tiefer Zweifel und Betrübnis, die kenne er nicht. Er sei schon mal schlecht drauf, “aber nie länger als einen Tag”. Keine freien Termine für Kummer. Oder für eine Familie. Wie viel Zeit investiert er in den Job? “Na alles”, sagt er und schaut, als würde er die Frage nicht verstehen. Er war schon überall: in Jamaica, Hawaii, den Rocky Mountains – auf Meetings, nicht zum Entspannen. Mehr als vier Tage Nichtstun halte er gar nicht aus. Er kommt immer mit einem Stapel Visitenkarten aus dem Urlaub zurück. Neulich war er im Wienerwald essen. Da gab es eine nette Bedienung. “Sie machen das echt gut”, sagte er ihr. Man kam ins Gespräch. Vielleicht verkauft die Frau bald Staubsauger statt Brathendl.
Quelle: Stuttgarter Zeitung